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Mythos der „atmenden Wand“
Gedämmte Außenwände erhöhen nicht das Schimmelrisiko, sondern minimieren es
Wände müssen atmen und sollten daher nicht gedämmt werden. Sonst drohen im Haus zu feuchte Luft und Schimmel. Seit rund 170 Jahren hält sich diese Vorstellung in den Köpfen der Deutschen. Doch sie ist falsch.
Belüftung und Austausch von feuchter, verbrauchter Innenluft erfolgt nicht über die Wände, sondern durch das Öffnen der Fenster oder eine Lüftungsanlage. Darauf weist das vom Umweltministerium Baden-Württemberg geförderte Informationsprogramm „Zukunft Altbau“ hin.
Wände selbst können nicht atmen. Schimmel an Wandstellen ist die Folge eines zu geringen Luftwechsels und tritt nicht wegen der Dämmung der Fassade auf. Eine Dämmung der Außenwände vermindert vielmehr das Schimmelrisiko, da sie die Oberflächentemperatur der Wand erhöht.
Die Vorstellung, gedämmte Fassaden seien schädlich, geht auf einen Messfehler aus dem 19. Jahrhundert zurück. Unterlaufen ist er Max von Pettenkofer. Er ist einer der Begründer der modernen Hygiene und schuf eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung des Periodensystems. Doch bei der „Wandatmung“ täuschte er sich. Von fehlerhaften Messergebnissen ausgehend – der offene Kamin wurde nicht verschlossen – kam der Forscher zu dem Schluss, Steinwände seien atmungsfähig. Bereits seit 1928 ist diese Theorie widerlegt. Die Idee war aber in der Welt und bekam ein Eigenleben.
Undichte Fenster lüften unkontrolliert
Richtig ist: Durch keine Art von Wand ist ein relevanter Austausch von Luft möglich. Die Abgabe von feuchter, verbrauchter Luft nach draußen erfolgt fast ausschließlich über das Lüften oder über undichte Fenster. Letzteres ist besonders in unsanierten Häusern der Fall. „Alte Fenster lassen über undichte Fugen unkontrolliert Außenluft nach innen – aber auch viel Heizwärme ins Freie, und zwar vor allem gerade dann, wenn es draußen kalt ist. So entsteht die ungemütliche Zugluft“, bestätigt Frank Hettler.
Bei neuen Wärmeschutzfenstern ist das nicht der Fall. Sie haben keine undichten Fugen. Dadurch zieht es nicht mehr, das Haus muss gezielt gelüftet werden. Geschieht das nicht, drohen dicke Luft und an schlecht gedämmten Bauteilen im schlimmsten Fall sogar Schimmel.
Der gesundheitsschädliche Pilz wächst dort, wo warme, feuchte Raumluft auf kalte Oberflächen trifft und kondensiert. Darin sind sich alle Baufachleute einig. „Eine fachgerechte Wärmedämmung vermindert maßgeblich das Schimmelrisiko, denn mit ihr bleiben die Innenseiten der Wände warm. So wird vermieden, dass sich Feuchtigkeit aus der Luft auf ihnen niederschlägt“, erklärt Markus Weißert vom Fachverband der Stuckateure für Ausbau und Fassade. „Dämmen ist deshalb eine sehr effektive Strategie gegen die Schimmelgefahr.“
Lüften nicht vernachlässigen
Regelmäßiges Lüften geht am besten so: Die Feuchtigkeit in der Luft wird durch regelmäßiges Querlüften niedrig gehalten. Dreimal täglich für einige Minuten gegenüberliegende Fenster ganz aufzumachen, reicht häufig aus. Auf keinen Fall sollten Fenster längere Zeit gekippt bleiben, auch nicht im Schlafzimmer oder in der Toilette. Dadurch kühlen die Wände nur unnötig aus. Hilfreich ist ein Hygrometer, das den relativen Luftfeuchtegehalt misst. Liegt der Wert längere Zeit über 60 Prozent, ist Lüften angesagt.
Wem dies zu aufwändig ist, der sollte sich eine automatische Lüftungsanlage zulegen. Denn mit ihr gelingt ein ausreichender Luftaustausch am effektivsten. Moderne Lüftungsanlagen lüften automatisch, die Nutzer müssen sich nicht mehr darum kümmern. Systeme mit Wärmerückgewinnung sparen außerdem wertvolle Heizenergie. Je nach gewähltem System verhindert das maschinelle Lüften zudem, dass Lärm, Feinstaub, Pollen und Insekten in die Räume gelangen.
So wird das Wohnen komfortabler. „Es ist wie bei der Geschirrspülmaschine“, sagt Frank Hettler. „Es geht auch ohne, aber wer einmal eine Lüftungsanlage hat, will sie nicht mehr missen.“
Fazit: Wände können nicht atmen, der notwendige Luftaustausch erfolgt über das Öffnen der Fenster oder eine Lüftungsanlage. Eine Dämmung verringert zudem die Schimmelgefahr. Fachinformationen gibt es bei Gebäudeenergieberaterinnen und Gebäudeenergieberatern.